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Betriebsschließung: Welche Rechte haben Arbeitnehmer und der Betriebsrat?

Fachbeitrag im Arbeistrecht

Betriebsschließung: Welche Rechte haben Arbeitnehmer und der Betriebsrat?

Wenn bekannt wird, dass ein Unternehmen einen Teilbetrieb, eine Abteilung oder gar den gesamten Betrieb schließen möchte, entsteht für die Beschäftigten große Unsicherheit. Die Sorge um den Arbeitsplatz, offene Fragen zum weiteren Vorgehen und die Unklarheit über rechtliche Möglichkeiten sind in dieser Phase besonders belastend.

In solchen Situationen ist es entscheidend, die eigenen Rechte zu kennen – und zu wissen, welche Rolle der Betriebsrat bei einer geplanten Betriebsschließung spielt.

1. Vollständige oder teilweise Betriebsschließung – was gilt rechtlich?

Nicht jede Betriebsschließung bedeutet automatisch das Ende aller Arbeitsverhältnisse. Juristisch wird unterschieden zwischen einer vollständigen Schließung und einer teilweisen Betriebsschließung, etwa der Auflösung einer Filiale, Niederlassung oder Abteilung.

Viele Unternehmen bestehen aus mehreren Betriebsteilen, die organisatorisch miteinander verbunden sind. Diese zählen in der Regel gemeinsam als ein Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Dadurch profitieren Beschäftigte davon, dass die Schwelle für den Kündigungsschutz schneller erreicht wird.

Schließt der Arbeitgeber nur einen Teil des Unternehmens, muss er prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung im verbleibenden Betrieb möglich ist. Eine Kündigung darf erst ausgesprochen werden, wenn alle zumutbaren Versetzungsmöglichkeiten geprüft wurden.
Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig über die geplante Betriebsschließung zu informieren und die Interessen der Mitarbeitenden in die Entscheidung einzubeziehen.

2. Sozialauswahl bei Betriebsschließung – wer darf gekündigt werden?

Kommt es zu Kündigungen im Zuge einer Betriebsschließung, muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl vornehmen. Sie soll sicherstellen, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt ist und nicht willkürlich erfolgt.

Nach § 1 Abs. 3 KSchG sind dabei insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit – Langjährige Mitarbeitende genießen besonderen Schutz.

  • Lebensalter – Ältere Beschäftigte sind sozial stärker schutzwürdig.

  • Unterhaltspflichten – Arbeitnehmer mit Familie dürfen nicht ohne triftigen Grund benachteiligt werden.

  • Schwerbehinderung – Besonders geschützte Personengruppen müssen vorrangig berücksichtigt werden.

Die korrekte Durchführung dieser Sozialauswahl ist komplex und in der Praxis häufig fehlerhaft. Schon kleine Versäumnisse – etwa eine unvollständige Vergleichsgruppe oder unzutreffende Bewertung sozialer Kriterien – können die Kündigung unwirksam machen.
Deshalb sollten Betroffene ihre Kündigung sorgfältig prüfen lassen, um Chancen auf Weiterbeschäftigung oder eine Abfindung zu sichern.

3. Abteilungsauflösung oder Umstrukturierung – wann liegt eine Betriebsschließung vor?

Nicht jede organisatorische Veränderung stellt automatisch eine Betriebsschließung dar. Wird etwa eine Abteilung aufgelöst, kommt es darauf an, ob die Arbeitsplätze tatsächlich entfallen oder ob die Aufgaben lediglich verlagert werden.

  • Verlagerung von Aufgaben: Wenn Tätigkeiten intern in eine andere Abteilung übergehen, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Eine Kündigung wäre in diesem Fall rechtswidrig.

  • Wegfall von Arbeitsplätzen: Nur wenn die Aufgaben endgültig entfallen oder die Arbeit durch weniger Beschäftigte erledigt werden soll, kann eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen werden.

Auch hier ist der Betriebsrat einzubeziehen. Er prüft, ob die Umstrukturierung tatsächlich zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt oder ob alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Werden Arbeitnehmer entlassen, ohne dass der Betriebsrat vorher ordnungsgemäß angehört wurde, ist die Kündigung unwirksam.

4. Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer Betriebsschließung

Der Betriebsrat hat bei jeder geplanten Betriebsschließung umfassende Mitbestimmungsrechte. Nach § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) muss der Arbeitgeber ihn rechtzeitig und vollständig über alle geplanten Maßnahmen informieren. Das gilt sowohl für vollständige als auch für teilweise Betriebsschließungen.

Ziel dieser Beteiligung ist es, über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan zu verhandeln.

  • Im Interessenausgleich wird geklärt, ob, wann und in welchem Umfang die Schließung erfolgen soll.

  • Der Sozialplan dient dazu, wirtschaftliche Nachteile der Beschäftigten abzufedern.

Wird der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, können Arbeitnehmer gemäß § 113 BetrVG Anspruch auf Abfindung erheben. Zudem muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Kündigung anhören. Unterbleibt diese Anhörung oder ist sie fehlerhaft, ist die Kündigung unwirksam.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats ist somit ein zentrales Schutzinstrument für Arbeitnehmer bei einer Betriebsschließung.

5. Sozialplan und Massenentlassung – Pflichten des Arbeitgebers

Bei größeren Betriebsschließungen kommt es häufig zu Massenentlassungen im Sinne des § 17 KSchG. In diesen Fällen gelten besondere Pflichten: Der Arbeitgeber muss

  1. den Betriebsrat informieren,
  2. mit ihm über Maßnahmen zur Vermeidung oder Abmilderung der Entlassungen beraten und
  3. die Agentur für Arbeit rechtzeitig unterrichten.

Der Sozialplan spielt dabei eine zentrale Rolle. Er kann unter anderem folgende Punkte regeln:

  • Zahlung von Abfindungen,
  • Unterstützung bei der Arbeitssuche,
  • Qualifizierungsmaßnahmen oder Umschulungen,
  • Zuschüsse zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit.

Kommt es zu keiner Einigung über den Sozialplan, kann der Betriebsrat eine Einigungsstelle anrufen, die verbindlich entscheidet. Wird der Betriebsrat dagegen übergangen oder unzureichend informiert, sind die ausgesprochenen Kündigungen rechtlich anfechtbar.

6. Fazit: Frühzeitig handeln und Rechte sichern

Eine Betriebsschließung ist für Beschäftigte eine Ausnahmesituation – rechtlich, wirtschaftlich und emotional. Dennoch sollten Betroffene wissen: Sie sind dieser Situation nicht schutzlos ausgeliefert.
Der Betriebsrat hat starke Mitbestimmungsrechte, und auch einzelne Arbeitnehmer verfügen über weitreichende Möglichkeiten, sich zu wehren.

Wichtig ist, schnell zu handeln: Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Danach gilt die Kündigung als wirksam – selbst wenn sie fehlerhaft ist.

Ob Sie Ihre Weiterbeschäftigung sichern, eine faire Abfindung verhandeln oder die Wirksamkeit Ihrer Kündigung prüfen möchten – rechtliche Unterstützung in dieser Phase ist entscheidend. Fachkundige Beratung hilft Ihnen, Ihre Ansprüche zu kennen, Ihre Optionen zu verstehen und Ihre Zukunft auf einer sicheren Grundlage zu planen.

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